Wer braucht schon Self Care?
Manchmal fühlt sich das Leben mit kleinen Kindern wie eine Parallelwelt an. Die Freiheit und Zeit, die man vor der Elternschaft hatte, scheinen unendlich weit weg. Auf Social Media lese ich von Morgenroutinen, Achtsamkeitsübungen, die eine startet eine Fitness Challenge, der andere beginnt ein Instrument zu lernen… Da kann ich nur lachen. Morgenroutine? Ich würde gern jeden Tag in der Früh duschen. Das wäre schön.
Brauchen wir als Mama oder Papa eigentlich Selfcare? Oder macht das noch zusätzlichen Stress in einer ohnehin fordernden Lebensphase? Oder fallen wir in die Aufopferungsfalle, wenn wir uns selbst nicht auch noch etwas Gutes tun?
Was ich wirklich brauche
Was ich wirklich brauche sind nicht klassische Self Care Rituale. Ich brauche einen Kraftschub im Alltag, wenn ich müde bin von einer 3-Stunden-Nacht. Einen bewussten Moment, in dem ich aus dem Funktionieren aussteige und mich selber wahrnehme.
Ich habe mittlerweile Werkzeuge gefunden, die mir helfen, mich zu erden und mit mir selbst in Verbindung zu bleiben – trotz der lauten, chaotischen Welt, die Kinder oft mit sich bringen.
1. Schlafen - Essen - Trinken - Bewegen. Dann kommt alles andere
Kennst du das Gefühl, wenn du endlich Zeit hast, um Dinge zu erledigen, aber du hast 47 To Dos auf der Liste und nur zwei Stunden zur Verfügung? Wo bitte soll man da anfangen? Und während du überlegst rennt dir schon die kostbare Zeit davon…
Ich habe mir eine kleine innere Checkliste zurecht gelegt, um diese Entscheidung schneller treffen zu können. Dabei folge ich immer derselben Reihenfolge.
- Habe ich genug geschlafen? Wenn nein - Powernap oder eine Stunde Schlaf nachholen.
- Bin ich durstig? Wenn ja, Tee kochen und in Ruhe trinken.
- Bin ich hungrig? Wenn ja, was Gutes zu essen machen.
- War ich draußen, habe ich mich bewegt? Wenn nein, kurz spazierengehen, tanzen oder ähnliches.
Und jetzt kommt der Rest dran.
Klingt vielleicht so als wäre ich voll unproduktiv, weil ja tausend andere Sachen zu tun wären. Stimmt schon. Aber wir Eltern haben keine Pausen, keine freien Tage, kein Wochenende. Mit Babys hat man täglich 24 Stunden Dienst. Also auf sich selber zu schauen ist das klügste, was man machen kann.
2. Kein Stress wegen Selfcare
Ein Text von der buddhistischen Lehrerin Pema Chödrön hat mich sehr inspiriert. Ich stelle ihn ans Ende von diesem Beitrag. Sie schreibt, dass es auf der spirituellen Reise nicht darum geht, täglich diszipliniert zu meditieren, sondern inmitten des chaotischen Alltags mit sich selbst in Kontakt zu bleiben.
Also ist es mir mittlerweile wurscht, dass ich seit xy Tagen meine Routine am Morgen nicht geschafft habe. Schaffe ich es, nicht die Nerven zu schmeißen, obwohl zwei schreiende Kinder etwas von mir wollen? Schaffe ich es, nach einem tiefen Atemzug in einer ruhigen Stimme weiterzusprechen? Das ist aus meiner Sicht der Stoff, aus dem Superheld:innen gemacht sind. Ich wachse und werde innerlich mit jedem Tag stärker, ganz ohne Morgenritual.
Das Leben mit Kindern gibt uns ständig Gelegenheiten, uns zu erden. Sie sind fordernd, was uns unendliche Chancen zum Wachsen bietet.
Ich weiß mittlerweile nicht aus Büchern, sondern aus Erfahrung, dass mein Nervensystem die Stimmung in der ganzen Familie beeinflusst. Genervte Mama, genervte Kids, genervter Mann. Deshalb kenne ich meine Trigger und die der anderen und versuche, Wege zu finden, dass wir wieder ins Gleichgewicht kommen.
3. Haushalt und eigene Bedürfnisse verbinden
Ich habe in den letzten Jahren gut gelernt, meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Das war schon mal eine ziemliche Lernreise. Und ich kann mittlerweile meine Bedürfnisse mit alltäglichen Aufgaben verknüpfen. Darauf bin ich mächtig stolz. Es fühlt sich an wie eine very useful superpower.
Lust auf Tanzen und Musik, aber nur zehn Minuten Zeit und die Wäsche soll aufgehängt werden? Dann höre ich beim Wäsche machen meine Lieblingsmusik und tanze dabei.
Bedürfnis nach Ruhe, aber alle sind hungrig? Dann gibt es für die Kids einen Spaziergang mit Papa während ich in Ruhe koche (eine Wohltat, besser als jede Meditation für mich). Notfalls, wenn ich allein bin, darf der Große fernsehen, die Kleine wird in der Trage zum Schlafen gebracht. Dieser Plan B verfehlt manchmal seine Wirkung, aber es hat auch schon geklappt.
Brauche ich eine Pause und beide Kids sind gerade unrund? Kleine in die Trage, Großen warm eingepackt und in den Wald gehen. Dort schläft die Kleine, der Große klettert ohne mein Zutun eine Stunde lang herum und ich kann einfach im Wald stehen und runterkommen.
Hast du noch andere Werkzeuge für den Alltag mit Kindern, die dir helfen in deiner Mitte zu bleiben?
Text von Pema Chödrön
"Wir denken, wenn wir nur genug meditieren oder joggen oder uns perfekt ernähren würden, wäre alles perfekt. Aber aus der Sicht von jemandem, der wach ist, ist das der Tod. Das Streben nach Sicherheit oder Perfektion, die Freude daran, sich bestätigt und ganz zu fühlen, mit sich selbst zufrieden und bequem, ist eine Art Tod. Darin gibt es keine frische Luft. Wir töten den Moment, indem wir unsere Erfahrung kontrollieren. Auf diese Weise bereiten wir uns auf unser Scheitern vor, denn früher oder später werden wir eine Erfahrung machen, die wir nicht kontrollieren können: Unser Haus wird abbrennen, jemand, den wir lieben, wird sterben, wir werden herausfinden, dass wir Krebs haben, jemand wird Tomatensaft über unser weißes Kleid schütten."
Der Sinn besteht darin, weiter zu forschen und nicht aufzugeben, auch wenn wir feststellen, dass etwas nicht so ist, wie wir dachten. Das ist es, was wir wieder und wieder und wieder entdecken werden: Nichts ist so, wie wir dachten. (wie wir es planten.)(Anmerk. v. Rani)
Die Dinge sind immer im Wandel, wenn wir das nur erkennen könnten. Nichts ist jemals so, wie wir es uns erträumen. Der Zwischenzustand ist die idealere Situation, in der wir nicht gefangen sind und unser Herz und unseren Geist öffnen können. Es ist ein sehr zärtlicher, nicht-aggressiver, ergebnisoffener Zustand. Bei dieser Erschütterung zu bleiben - bei einem gebrochenen Herzen, einem knurrenden Magen, dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und dem Wunsch nach Rache - das ist der Weg des wahren Erwachens. Diese Unsicherheit auszuhalten, sich inmitten des Chaos zu entspannen und zu lernen, nicht in Panik zu geraten - das ist der spirituelle Weg."