Mama am Handy – Bin ich eine schlechte Mutter?
Gerade war eine Bekannte mit ihrem Baby bei uns. Ich wollte ein Foto von unseren Babys machen, doch plötzlich rief sie: „Nicht mit dem Handy! Mein Baby soll kein Handy sehen. Ich habe eine Kamera mit.“ Also machten wir das Foto mit ihrer Kamera. Ich habe nun natürlich kein Bild, aber gut – das ist vermutlich die Nebensache dieser Geschichte.
Ich fragte nach: „Wie? Ihr seid vor eurem Baby nie am Handy?“
Sie erklärte, dass sie und ihr Partner sich schon vor der Geburt vorgenommen hatten, dass ihr Kind so lange wie möglich in einer Welt aufwachsen soll, in der es Mama und Papa nicht am Handy sieht.
Wow. Solche Entscheidungen ringen mir großen Respekt ab. Ein hehres Ziel – und sicher gut für das Kind. Es klingt nach einer bewussten, konsequenten Entscheidung für die drei.
Dann meldet sich eine Stimme in mir: Oh Gott, wie oft hat mein Baby mich schon am Handy gesehen?
20 Mal am Tag bestimmt.
Video-Telefonate mit der Oma. Ihr Lieblingslied abspielen. Ein Foto machen. Einer Freundin schreiben. Einen Pyjama in der richtigen Größe kaufen. Nachrichten lesen beim Stillen. Eine Mail beantworten. Mit meiner Kollegin telefonieren. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Bin ich eine schlechte Mama?
Noch bei meinem ersten Kind hätte mich diese Frage tagelang gequält. Ich hätte wohl ernsthaft überlegt, das Handy für ein paar Wochen wegzulassen. Nicht, weil ich es wollte, sondern aus Angst, eine schlechte Mutter zu sein.
Heute – fünf Jahre später – frage ich mich immer noch kurz: Bin ich eine schlechte Mama?
Und spüre sofort die Antwort:
Nein. Natürlich nicht.
Ich bin eine tolle Mama, die oft Dinge am Handy macht.
Ich bin eine tolle Mama, die ihr zufriedenes Baby auf dem Arm hält und mit Freundinnen per Video telefoniert.
Ich bin eine tolle Mama, die sich in Momenten der Überforderung für ein paar Minuten von Facebook berieseln lässt.
Ich bin eine tolle Mama, die beim Stillen schreibt, um ihre Gedanken zu ordnen.
Ich bin eine tolle Mama, die beim Spaziergang arbeitet, um ihren Verein am Leben zu halten.
Und ich bin eine tolle Mama, wie mir neulich eine berührende Situation mit meinem Sohn gezeigt hat.
Eine Lektion in Verbindung
Mein Sohn und ich waren draußen, an seinem Loch, das bald bis zum Erdkern führen soll. Er grub. Ich hatte die Kleine schlafend in der Trage und nutzte die Gelegenheit, eine Überweisung an meinen Bekannten in Malawi zu machen. Warum genau jetzt? Weil es keinen besseren Moment gab. Mein ruhigster Moment ist, wenn die Kleine schläft und der Große gräbt.
Doch der Große hatte sich das anders vorgestellt. Er wollte beim Graben philosophieren, analysieren.
Ich erklärte ihm:
„Ich kann gerade nicht sprechen, weil die Kleine sonst aufwacht. Und ich muss mich sehr konzentrieren, weil ich eine wichtige Sache erledigen will.“
Er schmollte ein wenig und grub weiter.
Bald war die Überweisung erledigt. Die Kleine wachte auf, der Große hatte genug vom Graben und wollte rein. In der Garderobe saß er still und sah traurig aus.
„Irgendwie geht es mir nicht gut,“ sagte er.
Ich fragte:
„Hmm, was genau fühlt sich nicht gut an?“
Er überlegte kurz.
„Ich spüre so eine Traurigkeit in mir drin.“
Ich bat ihm einen Erklärungsversuch an.
„Kann es sein, dass du dir gewünscht hast, dass wir beim Graben viel plaudern – und du jetzt traurig bist, weil ich nicht wirklich Zeit für dich hatte?“
Er nickte. „Ja, genau.“
Er weinte kurz. Ich umarmte ihn. Als er wieder ruhiger war, schlug ich vor, dass wir gemeinsam ein Buch lesen. Er strahlte mich an und lief voraus zu unserem Lesesessel. Dort lasen wir ein paar Seiten vom Räuber Hotzenplotz und seine Welt war wieder in Ordnung. Wir machten zuerst Raum für seine Traurigkeit und dann für seinen Wunsch nach Verbindung.
Darf ich mein Kind traurig machen?
Später reflektierte ich die Situation mit einem Freund und sagte:
„Ich bin mir nicht böse, aber in dem Moment habe ich es als Mama irgendwie verkackt. Ich sollte das Handy einfach drin lassen, wenn wir zum Loch gehen.“
Er bestärkte mich:
„Du hast nicht verkackt. Du bist ein Mensch. Und dein Sohn darf mit dir erleben, dass sein Bedürfnis nicht immer an erster Stelle steht. So ist das Leben. Du hilfst ihm danach, zu fühlen und zu verbalisieren, was das mit ihm macht. Das ist wertvoll.“
Das tat gut.
Wir Eltern dürfen auch mal der Grund für die Traurigkeit unserer Kinder sein. Und wir dürfen sie dabei begleiten, den Schmerz zu fühlen und in Worte zu fassen.
Wir sind nicht dafür da, ihnen jede Enttäuschung zu ersparen.
Wie geht es dir mit dem Thema Handy und Elternsein? Und wie gehst du damit um, wenn du dein Kind enttäuscht hast? Ich bin gespannt auf deine Gedanken!
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