Ein Hoch auf die müden Tage
Manchmal stehe ich morgens auf und mein Akku ist leer. Nicht der vom Handy, sondern meiner. Heute war wieder so ein Tag. Zu wenig Schlaf, zu oft aufgewacht, viel zu früh aufgestanden. Ich kriege die Augen morgens kaum auf, so müde bin ich. Da hilft auch kein Kaffee.
Old me: Selbstmitleid und Süßes
Früher habe ich mich an solchen Tagen gern selbst bemitleidet. Ich fühlte mich als Opfer meiner Umstände, gönnte mir Süßes und gab den Tag in aller Früh innerlich auf.
New me: Hallo Müdigkeit!
Inzwischen beobachte ich, dass sich in mir vieles entspannt hat. Ich versuche, die Müdigkeit anzunehmen, als wäre eine liebe Freundin zu Besuch, die mein Tempo wie von Zauberhand drosselt. Ich bin müde. Na und? Ich kann auch müde einen Tag genießen.
An solchen Tagen lasse ich alles weg, was nicht sein muss. Ausflüge werden gestrichen, Telefonate abgelehnt, Hausarbeit vertagt. Wenn es geht, verschiebe ich auch berufliche To-dos. Was bleibt, ist hoffentlich ein leerer Tag. Keine Erwartungen, keine Pläne. Das fühlt sich richtig gut an.
Raum für Überraschungen
So kam es heute dazu, dass ich den Christbaum abgeräumt habe, während mein Mann mit dem Großen draußen war und die Kleine gespielt hat. Dann flog der schöne Baum aus dem Fenster. Später warf ich die Zweige vom Adventkranz ins Feuer und hatte plötzlich solche Lust aufs Verbrennen, dass ich fünfzehn alte Tagebücher aus den letzten zwanzig Jahren in Flammen aufgehen ließ. Das tat gut!
Und dann erreichten wir als Familie gemeinsam den energetischen Tiefpunkt. Vorm Essen standen wir alle da: genervt, gelangweilt, hungrig, müde. Ich blickte ich auf die Uhr und war schockiert, wie viel vom Tag noch übrig ist. Aber nicht verzagen, denn ein gutes Mittagessen hilft immer.
Mein Mann richtete nach dem Essen eine Räucherpfanne, und mein Sohn zog durchs Haus, um es zu segnen. „Dass Papi gut kocht für uns“, sprach er in der Küche. „Dass ich immer Theo, Tess und Quentin hören darf“, murmelte er in seiner Spielecke. Am zugefrorenen Schwimmteich stehend wünschte er, nicht einzubrechen. Ich musste lachen. Später probierten wir endlich das neue Spiel aus, das das Christkind gebracht hatte. Mein Sohn fütterte seine kleine Schwester zum allerersten Mal. Sie hatten beide eine Riesenfreude daran.
Wir Faulpelze!
Zwischendurch dachte ich: Andere sind jetzt bestimmt Skifahren oder machen einen tollen Rodeltag. Wir sitzen hier nur herum. Ich habe heute nicht mal das Haus verlassen. Aber dann fiel mir auf: Genau das habe ich mir für diese Weihnachtsferien gewünscht. Leerlauf, nichts tun, Platz für Langeweile, für spontane Aktionen.
Nebenbei hat meine Tochter heute gelernt, nicht auf mir, sondern neben mir einzuschlafen. Eine Weltpremiere. Ich war so müde, dass ich mich einfach hinlegen musste. Und siehe da: Es funktioniert.
Meine liebsten Tage in der Kindheit
Es sind diese Tage meiner Kindheit, nach denen ich mich am öftesten sehne. Tage, an denen es einfach um nichts ging. Keine Pläne, keine Erwartungen – nur Langeweile und die Freiheit, dass sich die Dinge von selbst ergeben dürfen. Diese Tage sind kein Stillstand, sondern ein Raum, in dem sich das Leben ungeplant entfalten kann.
In diesem Sinne - ein Hoch auf alle, denen Mittags schon die Augen zufallen vor Erschöpfung. Und ein Hoch auf die müden Tage, an denen wir scheinbar nichts schaffen und nichts Besonderes erleben. Genau das macht sie besonders.
Und du? Was sind deine liebsten Kindheitserinnerungen? Sind es die großen Ereignisse – oder die kleinen, unscheinbaren Momente, in denen du einfach sein durftest?
Bild von Loré Pemberton
Ich liebe die Bilder von Loré! Sie ist eine Künstlerin aus Vermont. Ihre Kunstwerke transportieren so viel Wärme, Gemütlichkeit und Frieden. Ich habe mir zu Weihnachten vier ihrer Prints selbst geschenkt. Hier findest du mehr von ihrer Arbeit:
https://www.lorepemberton.com/