Der ganz normale Wahnsinn
Manche Tage sind einfach nur überfordernd. Meistens passiert uns das, wenn mein Mann Nachtdienst hatte, wir beide zu wenig geschlafen haben und dringend eine Pause bräuchten. Dann sind wir müde und reizbar. Das wiederum macht die Kinder und die Haustiere unrund, und sie zerren den ganzen Tag an den letzten drei verbliebenen Nerven. Das erinnert mich an ein Meme. Du kennst es? „Oh, ich hab Mamis letzten Nerv gefunden! Ich will ihn anfassen!“.
Der 23. Dezember war bei uns so ein Tag – einfach von früh bis spät der „ganz normale Wahnsinn“. Der Wurm drin. Immer, wenn wir so einen Tag durchleben, denke ich mir zwei Dinge: Erstens, Elternsein ist das Schwierigste und Anstrengendste, was ich je gemacht habe. Ich nutze sämtliche Kompetenzen und stehe trotzdem voll an. Und zweitens: Wie zur Hölle machen das Alleinerziehende? An dieser Stelle ziehe ich meinen Hut vor allen, die das allein machen (müssen).
So ein Tag ist mit Worten schwer beschreibbar. Er geht ans Eingemachte, zwingt dich in die Knie, lässt dich an dir zweifeln, raubt dir den Verstand, macht dich zu jemandem, der du nie sein wolltest. Er bringt dich zur Weißglut, jagt dir Höllenangst ein, treibt dir Tränen in die Augen und lässt dich um zehn Uhr vormittags mit allerletzter Kraft um eine Pause betteln. Es ist heftig. If you know, you know.
Eine Studie der deutschen Techniker Krankenkasse hat gezeigt, dass Mütter kleiner Kinder mehr Stresshormone im Blut haben als Top-Manager:innen. Mich wundert das kein bisschen. Während ich diesen Text schreibe, werde ich ca. 40 Mal unterbrochen. Oder vermutlich eher 80 Mal. Normal.
An solchen Tagen kommt, wie das Amen im Gebet, der Moment, wo man einfach nicht mehr kann. Man will weinen, weglaufen, schreien, streiten… Je nachdem, welcher Typ man ist, hat man unterschiedliche Strategien, mit diesem astronomisch hohen Stresslevel fertigzuwerden: Fight, Flight oder Freeze.
Der eine geht auf Rückzug, vermeidet Streit durch Nachgiebigkeit, will sich wegbeamen oder gibt sich dem Stressessen hin – ein innerer Fluchtmodus. Die andere beginnt zu fluchen, schimpft mit dem Kind oder streitet mit dem Partner – sie geht in den Kampfmodus. Der dritte tut so, als wäre er nicht da, scrollt im Handy, statt den Streit zu schlichten, oder ignoriert das Fehlverhalten des Kindes. Er erstarrt innerlich vor Überforderung.
Mein Mann und ich haben unterschiedliche Stressreaktionen. Manchmal, wenn mein Ego laut wird, fühle ich mich gut, weil ich seltener schimpfe. Dafür habe ich seit der Geburt unseres Babys drei Kilo zugenommen, weil ich meinen Stress durch Essen kompensiere. Naja.
All diese Strategien sind sinnvoll. Sie helfen uns kurzfristig, mit einer extrem herausfordernden Situation klarzukommen. Langfristig – vor allem, wenn ein gewisses Stresslevel jahrelang anhält – braucht es allerdings bessere Strategien. Es gibt tatsächlich einen Weg, der mir und den Kindern schon oft den Tag gerettet hat. Darüber mag ich bald schreiben. Heute nicht mehr.
Was ist deine gängigste Stressreaktion? Und was ist die deines Partners? Wie reagieren deine Kinder auf Stress? Hast du eine gute Strategie, damit umzugehen?
Ich teile deinen Tipp gern in meinem nächsten Beitrag.