Apokalyptischer Reiter Nr. 1: Vergleich
Wie das Vergleichen uns die Verbindung nimmt – und was wir stattdessen tun können.
Ich bin von großartigen Menschen umgeben.
Eine hat eine Engelsgeduld, bleibt inmitten von Chaos ruhig wie ein Stein in der Brandung.
Ein anderer hat so eine Gabe für Selbstreflexion, liest in sich wie in einem offenen Buch.
Eine weitere ist so kreativ und genial – eine echte Künstlerin!
Und sie alle sehen einfach umwerfend schön aus.
Ist doch wundervoll, oder?
Ja, ist es. Aber an manchen Tagen beginnt es in mir zu rattern:
Und ich? Ich müsste doch auch …
Vergleiche sind leise, aber sie stechen.
Und wenn ich nicht aufpasse, ziehen sie mich sehr weit weg von mir.
Vergleiche tun weh
Gerade Eltern kennen das Thema nur zu gut und verwenden Vergleiche öfter als es uns gut tut – sei es in Gedanken oder laut.
Vergleiche zwischen Kindern, zwischen Geschwistern, zwischen einem selbst und der Mama auf Instagram.
Auch andere Menschen in unserem Umfeld vergleichen.
Sie vergleichen unsere Kinder mit dem, was an Erinnerung an die eigenen Kinder übrig geblieben ist.
Sie vergleichen unsere Kinder mit anderen Kindern.
Und sie vergleichen uns als Eltern mit sich selbst – oder mit anderen Eltern.
Es scheint, Menschen vergleichen gern. Und meinen es oft sogar gut – als Kompliment sozusagen.
Vergleiche können zweierlei Urteile in uns auslösen:
Ich / mein Kind / mein Mann / wir als Familie sind entweder unterlegen oder überlegen.
Zwei Seiten derselben Medaille. Beide entspringen dem Ego – und erscheinen als Buchung am Ego-Konto.
Überlegen? Plus.
Unterlegen? Minus.
Darf man jetzt vor lauter Wokeness keine Vergleiche mehr ziehen?
Man darf. Du darfst.
Aber ich habe immer weniger Lust, da mitzumachen.
Was soll an einem Vergleich schlecht sein?
Wenn ich gut bei mir bin, erkenne ich Vergleiche – egal ob sie in mir auftauchen oder von außen kommen.
Dann kann ich mich selber wieder einfangen und mir sagen: Du bist gut so, wie du bist.
Wenn ich mich gerade nicht stark fühle, wird es in mir eng und düster und kalt.
Und ich tappe in die Falle, zu glauben, dass das an meiner Unterlegenheit / Überlegenheit liegt –
statt an der zehrenden Wirkung, die Vergleiche auf mich haben.
Was durch Vergleich nicht entsteht
Vergleiche schaffen keine Nähe.
Kein Gesehenwerden.
Keine Augenhöhe.
Vergleiche stellen auf ein Podest – oder unter einen Schemel.
Sie machen uns angreifbar. Ordnen uns und unsere Kinder auf einer Skala von gut bis schlecht. Bloß nicht wackeln! Sonst fällst du.
Heute noch bin ich vielleicht besser als die anderen.
Aber das kann kippen.
Und dann?
Werde ich dann nicht mehr bewundert?
Nicht mehr gemocht?
Oder bin ich schlechter?
Muss ich mich mehr anstrengen? Verändern? Verbiegen? Verstellen?
Damit ich dann angenommen werde für eine Version von mir, die ich nicht bin?
Und dann werde ich gelobt statt kritisiert?
Was hilft, wenn du Vergleich außen vor lassen willst:
1. Vergleiche entlarven
„Das Kind ist viel extrovertierter als mein Kind.“ – ist noch leicht zu erkennen.
Schwieriger wird es bei Sätzen wie:
„Woher nimmt die bloß ihre Geduld?“
Auch das kann ein Vergleich sein – leiser, versteckter, aber genauso schmerzhaft.
2. Üben, gut mit uns zu sein
„Mein Kind ist gut so, wie es ist.“
„Mein Körper ist gut so, wie er ist – und definiert nicht meinen Wert als Mensch.“
Solche Sätze sind kein Luxus. Sie sind radikal und heilsam.
3. Schubladen vermeiden
Wir tendieren dazu, uns und andere mit Zuschreibungen zu versehen, die oft Jahre oder Jahrzehnte wie Etiketten an uns kleben.
Dabei können wir uns ändern.
Statt „Ich bin halt ein Schussel“, sag vielleicht: „Ich bin in letzter Zeit oft vergesslich.“
Wir sind nie nur das Eine.
4. Uns als Ganzes sehen
Mein Kind ist ruhig und wild.
Schüchtern und frech.
Liebevoll und trotzig.
Ich genauso. Ich bin strukturiert und chaotisch.
Stark und erschöpft. Klar und verwirrt.
Alles eben. Und alles darf sein.
5. Komplimente ohne Vergleich
Wenn wir uns oder anderen ein Kompliment machen wollen, lassen wir andere draußen.
Nicht:
„Bei euch ist es so gemütlich – bei anderen ist es oft so steif.“
Sondern einfach:
„Bei euch fühle ich mich sehr wohl.“
Das reicht.
Ein echtes Kompliment sieht den Menschen – und nicht seinen Platz im Ranking.
6. Vergleichen im Gespräch begegnen
Wenn jemand uns vergleicht und wir es bemerken, kommt oft vor allem Schmerz und der Wunsch, dem etwas entgegenzustellen. Statt sich zu rechtfertigen oder innerlich klein zu machen, hilft ein Stopp.
Zum Beispiel:
• Einmal tief atmen. Dir selber sagen: Du bist gut so wie du bist.
• Fürs Kind stark machen. „Jeder Mensch und jedes Kind ist anders. Mein Kind geht seinen Weg in seinem Tempo.“
• Für dich und andere stark machen. „Ich befinde mich in keinem Wettkampf mit meiner Schwester. Wir sind beide tolle Mamas.“
• Zur Not Thema wechseln. „Reden wir bitte über etwas anderes.“
Das braucht Mut. Den hat man auch nicht immer. Manchmal ist es ein Erfolg, dass ich mich nach so einem Gespräch nur eine halbe Stunde ärgere und nicht drei Tage lang.
Ich wünsche mir eine Welt,
in der wir uns begegnen, nicht bewerten.
Wo wir uns gegenseitig stärken, statt messen.
Wo wir immer wieder in die Hingabe und ins Vertrauen zu uns selbst und unseren Kindern finden.
Wie gehst du mit Vergleichen um?
Wie begegnest du Vergleichen von außen – wenn sie dich oder deine Kinder betreffen?
Willst du neue Blogs per Whatsapp bekommen?
Ich schicke neue Texte mit einer kleinen persönlichen Botschaft direkt an dich. Wenn du das möchtest, lass mich das einfach wissen.